Newsletter & Kolumnen von Avanti Papi


Kolumne "Fritz und Fränzi" Dezember 2009

Als ich dreizehn Jahre alt war, besuchte ich mit meinen Eltern New York. Wenn ich heute an diese Reise denke, erinnere ich mich vor allem an zwei Dinge: Die riesigen Wolkenkratzer und Donkey Kong, ein kleines, aufklappbares elektronisches Spiel – ein Ur-Ahne der heutigen Gameboys. Viel konnte dieses Spiel nicht, und es hat eigentlich nur zwei Dinge mit den heutigen Gameboys gemein: es ist klein und handlich, und es hat ein riesiges Suchtpotential für Kinder. Ich konnte nämlich meine Finger fast nicht davon lassen und spielte jede freie Minute damit, ob im Restaurant, in der U-Bahn, im Hotel oder im Central Park.
Damals gab es noch keine Diskussionen über die Gefährlichkeit von Computerspielen, insbesondere den Killerspielen. Aber die Lehrer an unserer Schule begannen schon bald, die Dinger einzusammeln, weil wir auch während dem Unterricht spielten (natürlich mit ausgeschaltetem Lautsprecher). Nur wenige Jahre später hielten Atari, Commodore und andere Computerspiele Einzug in die Schweizer Wohnungen und Kinderzimmer. Bald darauf begann die bis heute andauernde Auseinandersetzung über die Schädlichkeit dieser Spiele, die mitunter schon seltsame Formen annimmt. So wollten uns zum Beispiel in einer grossen Sonntagszeitung Historiker weismachen, dass Killergames gar nicht so schlimm seien, weil sich ja schon die Römer an blutrünstigen Gladiatorenkämpfen ergötzt hätten. Doch ist es ja nicht so, dass, nur weil es so etwas schon immer gegeben hat, dies nicht trotzdem verwerflich sein sollte. Auch Krieg, Kindsmisshandlung und andere unzivilisierte Verhaltensweisen gab es schon immer, werden aber von unserer Gesellschaft nicht gebilligt.
Es gibt auch Wissenschaftler, die herausgefunden haben, dass Aktionsspiele die Konzentration und Reaktionsfähigkeit der Kinder fördern. So wurde festgestellt, dass Kinder, kurz nachdem sie am Computer gespielt haben, besser rechnen, als wenn sie vorher ein Buch gelesen haben. Klar, vollgepumpt mit Adrenalin können Kinder mehr leisten, auch wenn es sich um simple Rechenaufgaben handelt. Nur vergessen die Forscher, dass auch ein Tischtennisspiel die Reaktionsfähigkeit fördert und Adrenalin nicht nur bei Aktionsspielen am Computer produziert wird, sondern auch bei «Aktion Live» auf dem Pausenplatz.
Natürlich sind Lernspiele nicht schädlich. Aber mir ist noch kein Computerspiel begegnet, welches Kompetenzen fördert, die nicht auch ohne Computer erworben werden können, und dies sogar meist besser und umfassender. So fördert besagtes Tischtennis nicht nur die Reaktionsfähigkeit, sondern auch die Motorik. Und das Lesen eines Buches im Bett ist doch nicht mit dem Lesen am Computer vergleichbar. Beim Buch muss sich das Kind das Gelesene vorstellen, es nimmt die Atmosphäre der Geschichte auf und taucht in sie ein. Und am Computer? Dort liest es zwar auch, aber ein in die Geschichte versunkenes Kind habe ich noch nie am Rechner gesehen. Den Umgang mit Computern lernen Kinder schon früh genug und holen es spätestens als Jugendliche nach. Aber wer es als Kind verpasst hat, im Wald zu spielen und auf Bäume zu klettern, dem fehlt etwas fürs Leben, und er wird es als Erwachsener nicht mehr nachholen. Deshalb frei nach Pestalozzi: Stecker raus und auf die Bäume ihr Kinder!

 

 

<< Zurück zur vorherigen Seite