Newsletter & Kolumnen von Avanti Papi


Kolumne swissmom Juli 2012

"Aaahhschloch"
So nett wurde ich von einem ca. 3 jährigen Buben begrüsst, als wir eine befreundete Familie besuchten. Ich kannte noch nicht mal seinen Namen, denn wir waren mit seiner Familie nicht bekannt. Sie waren Nachbarn der mit uns befreundeten Familie und ihre in etwa gleichaltrigen Kinder pflegten einen regen Austausch. „Na das kann ja heiter werden“, dachte ich mir und wollte mir das Bürschchen gerade vorknöpfen, als auch schon die besorgte Mama angerannt kam. „Auch gut, dann kann sie ja mit dem Bengel schimpfen“, dachte ich weiter. Aber es kam ganz anders. Mit zuckersüsser, verständnisvoller, ja fast tröstender Stimme erklärte sie ihm geduldig, dass das jetzt aber nicht nett gewesen sei und dass der Mann jetzt sicher traurig sei. War er aber nicht. Der Mann war irgendwo zwischen verdutzt und ziemlich sauer. Auf das Kind, aber noch mehr auf die Mutter, welche dem Kind mit ihrer Antwort zu verstehen gab, dass es nur "Aaahhschloch" zu sagen braucht, wenn es mal Zuwendung oder liebevolle Aufmerksamkeit braucht. Typisch Frau, dachte ich mir und verliess sprachlos die Szene.

Der Abend wurde trotzdem ganz nett, denn einerseits waren die Eltern sehr sympathisch und andererseits musste ich dem Sohnemann ja nicht dauernd hinterher rennen, um zu verhindern, dass er Tassen zerschlug, Türen schletzte, Abgründe oder andere Kinder schlug. Unser Baby war für ihn zum Glück uninteressant, da zu klein, und unsere Jungs zu gross, d.h. zu wehrhaft. So hatte ich einen ruhigen, entspannten,Samstagnachmittag vor mir. Nur einmal war die Aufregung noch gross, als der Junge plötzlich verschwunden und unauffindbar war. Alle drei Familien machten sich hektisch auf die Suche und schliesslich wurde das Kind wieder aufgefunden.

Im Verlaufe des Nachmittages, alle Kinder spielten gerade friedlich im Hof, kam das Gespräch auch auf die Aufregung des Tages. Die Mutter klagte uns ihr Leid, dass der Bub schon sehr anstrengend sei, nicht auf sie höre und ich erfuhr, dass ich aus seiner Sicht auch nicht das einzige „Aschloch“ sei. Ratlos sagte sie, dass sie nicht wisse, wie sie ihm beibringen könne, keine Schimpfwörter mehr auszuteilen. Allgemein war die Zustimmung unter den Müttern gross, dass es schwierig und anstrengend sei.

Typisch Frau, dachte ich, für alles Verständnis zu haben und einander zu bemitleiden. Typisch Mann lenkte ich das Gespräch dann auf eine pragmatische Lösung, indem ich fragte, ob der Bub denn einfach so auf die Strasse rennen dürfe und wenn nein, wie sie ihm das beigebracht hätte und voila, so einfach sei doch das, mit deutlichen Worten klare Grenzen setzen, denn Dreijährige erfassen weniger, was wir sagen, als vielmehr wie wir es tun. Typisch Frau ging niemand auf mein Votum ein und typisch Mann liess ich es dann dabei bewenden und vertiefte mich wieder in meine Zeitungslektüre.

Der Tag ging dann schnell vorbei und zurück in unserem Quartier fällt mir seither immer öfters auf, dass es vermehrt „erziehungsresistente“ Kinder gibt, was wohl daran liegt, dass es immer mehr „erziehungsverweigernde“ Eltern gibt. „Erziehungsverweigernd“, weil oft überfordert (typisch Frau) oder mehrheitlich abwesend (typisch Mann). Dabei plädiere ich nicht für eine autoritäre Erziehung, wie wir sie aus vergangenen Jahrhunderten in Erinnerung haben, aber dafür, dass Eltern es sich leisten können, auch mal autoritär zu sein, weil sie sich liebevoll um ihre Kinder kümmern und ihnen den Platz geben, den sie brauchen und der ihnen zusteht. Und das geht nicht, ohne ihnen gleichzeitig die Grenzen ihres Platzes aufzuzeigen.

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