Newsletter & Kolumnen von Avanti Papi


Kolumne MännerZeitung September 2012

Do it yourself
Michael Gohlke ist mit seiner Familie für zwei Monate in den USA unterwegs und spürt dem Geschmack der Freiheit nach.

Waren Sie schon mal an einem Rodeo in Texas? Es ist ein Erlebnis sondergleichen. Nicht nur wegen der Pferde und den schönen Frauen in Cowboystiefeln, nein, es ist das ganze Drumherum und vor allem wie so ein Rodeo anfängt. Zuerst wird nämlich all der tapferen Sodaten gedacht, die für das schönste Land der Welt ihr Leben geben und für Freiheit und Demokratie auf der Welt kämpfen. Dann wird das schönste Lied, welches je geschrieben wurde (die Amerikanische Nationalhymne) gesungen und anschliessend noch zu Gott gebetet. Als Tourist, der ich für zwei Monate bin, kann ich diesen patriotisch-religiösen Ritualen natürlich einigermassen staunend und belustigt zuschauen. «The land of the free», so sehen die Amerikaner ihre Nation. «The land of contradiction», so sehe ich es, denn man darf zwar seine Harley-Davidson fast ungedämpft röhren lassen, aber im Schwimmbad ist rennen für Kinder verboten. Man darf sich in der Wüste ein Holz-U-Boot im Garten bauen, doch man darf in der Vorstadt keine Wäsche auf der Veranda aufhängen. Man darf einen Einbrecher im leeren Nachbarhaus erschiessen, aber keine nackten Brüste im Fernsehen zeigen. Man darf so viel Abfall produzieren, wie man will, aber man darf den Abfalleimer nicht am Dienstag auf die Strasse stellen, wenn er erst am Mittwoch geleert wird und man darf seinen Kindern den grössten Müll verfüttern bis sie dick und fett werden, aber man darf sie keine zehn Minuten unbeaufsichtigt im Auto warten lassen. Doch die Amerikaner fühlen sich frei. Zumindest wären sie es gerne und der Mythos wird hoch gehalten. Bei beiden Rodeos, welche ich  besucht habe, wurde auch das Lied «Born free» von Kid Rock gespielt, während die Cowboys in die Arena ritten. «Born free», das klingt gut, ist aber es nicht wahr, denn niemand wird frei geboren, weder in den USA, noch in der Schweiz oder irgendwo sonst auf der Welt. Wenn wir geboren werden, sind wir absolut unfrei, total abhängig von den Erwachsenen, die uns pflegen und füttern. Wir können nichts frei entscheiden, alles geschieht instinktiv. Wir essen, scheissen und schlafen. That’s it!
Erst mit der Zeit entsteht die Absicht und somit die Freiheit der Wahl. Denn Freiheit ist niemals ein Zustand! Es sind immer nur Momente, in welchen man frei entscheiden kann. Anschliessend muss man mit den Konsequenzen seiner Entscheidung leben, was einem wiederum unfrei macht. Kinder müssen das in einem geschützten Rahmen lernen und die Aufgabe der Eltern ist es, sie aus ihrer absoluten Unfreiheit in ein einigermassen selbstbestimmtes Leben zu begleiten.
Aber der Mythos Freiheit lebt weiter und auch ich hatte als Kind den Traum einmal mit einer Harley auf Amerikanischen Highways zu fahren, den Wind in den Haaren und die Sonne im Gesicht. Nun, es war keine Harley, sondern ein Toyota Prius und die Freiheit reichte immer nur bis zur nächsten Tankstelle (was bei einer Harley übrigens auch nicht anders ist), aber genossen habe ich es trotzdem. Und als mich mein Ältester fragte, ob ich nicht lieber in einem Lamborghini unterwegs wäre, dachte ich mir: «This, my son, you can do yourself.»

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