Newsletter & Kolumnen von Avanti Papi


Kolumne MännerZeitung Juni 2010

Schnee. So weit das Auge reicht, nichts als Schnee. Durch die endlose Schneelandschaft zieht sich eine dünne Spur, eine Strasse, kaum befahren, über hunderte von Kilometern. Die Luft ist eisig, das Termometer zeigt Minus vierzig Grad und wir sind nur wenige Kilometer von Krasnojarsk, einer Stadt in Sibirien, entfernt. Fünf Lastwagen stehen am Strassenrand, die Chauffeure fluchen, frieren und hantieren am Tank. Der Diesel ist eingefroren und muss mittels eines Bunsenbrenners auf Betriebstemperatur gebracht werden.

Schnitt!

Felsen, Staub, Hitze. Ein Lastwagen donnert über einen amerikanischen Highway, wird von flüchtenden Ganstern überholt und von querschlagenden Kugeln getroffen und, Sie ahnen es bestimmt schon, explodiert!

Schnitt!

Während die erste Szene aus einer Fernsehdokumentation über Sibirien vollumfänglich der Wahrheit entspricht, ist die zweite, aus einem Hollywoodfilm, natürlich frei erfunden. Lastwagen können nicht explodieren. Autos überigens auch nicht. Nicht einmal dann, wenn Benzin ausläuft oder ein Streichholz in den Tank geworfen wird. Wohl können Autos brennen, explodieren können sie jedoch nicht.
Ist das relevant? Nun, wenn Sie in einem brennenden Auto eingeklemmt sind und niemand getraut sich zu helfen, weil, „das Auto könnte ja explodieren“, dann ja. Und seien Sie versichert, wer hunderte Male im Fernsehen sieht, wie Autos explodieren, der glaubt es irgendwann.

Genau so wie er glaubt, dass harte Kerle nach einem oder gar mehreren Fausschlägen wieder aufstehen und weiterkämpfen. Das Gegenteil ist jedoch wahr, wie in diversen Gerichtsakten nachgelesen werden kann. Und da rätseln diverse Experten immer noch stundenlang in Fernsehsendungen, wie Jungendliche nur auf die Idee kommen aus Spass andere Leute zu verprügeln.

Nebst der verharmlosenden und meist unwahrheitsgemässen Darstellung der Gewalt, gibt es auch noch die verharmlosende unterlassene Darstellung der Folgen von Gewalt. Jede Verfolgungsjagt und Schiesserei hinterlässt verletzte Menschen, zerbrochene Familien, querschnittsgelämte Väter und Mütter, behinderte Kinder und tausende Tränen und schlaflose Nächte, welche aber mitnichten thematisier oder gar gezeigt werden.

Mit dem Internet und insbesondere Videoplattformen wie YouTube u.ä. kommt noch eine neue Dimension hinzu. Was im Fernsehen (noch) nicht gezeigt werden kann, findet man hier frei zugänglich für jederman: Reale Gewalt, erfundener Sex und jegliche Art von Pornographie. Es gelten aber die gleichen Mechanismen wie beim Fernsehen: unkritischer Konsum führt langfristig zu realitätsverlust und entsprechendem Verhalten.

Fernsehen ist eine bewusstseinsverändernde Droge und genauso wie andere Drogen sollte sie nur vorsichtig und altersentsprechend konsumiert werden.


p.s. In der Schweiz sitzen 42% aller Kinder mehr als 1 ½ Stunden täglich vor dem Fernseher, während sich die Väter nur 20 Minuten um sie kümmern.

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