Newsletter & Kolumnen von Avanti Papi


Kolumne MännerZeitung Juni 2009

Arbeitswelten

Heute war ich Computersupporter, Kummerkasten, Microsoft Word Problemlöser, Kabelverleger und Telefonhotliner. Dies alles wohlgemerkt innerhalb eines Vormittages. Als ich mich dann um zwölf Uhr (ich bin zu 50% Erwerbstätig) auf den Heimweg machen wollte, meinte ein Arbeitskollege: „Na Michi, schon Feierabend?“
„Nein!“, war meine Antwort, „Ich wechsle nur meinen Arbeitgeber!“
Denn zu Hause angekommen, werde ich zum Koch, Tellerwäscher, Abfallentsorger, Wäschewascher, Reinigungsfachmann und Windelnwechsler. Aber zum Glück auch zum Fussballspieler, Schwertkämpfer, Kletterbaum, Schachspieler, Seelentröster und Geschichtenerzähler.

Viele dieser Tätigkeiten, welche ich mit meinen Kindern unentgeltlich ausübe, werden von Frauen nicht wahrgenommen, obwohl die meisten Kinder nach wie vor von ihren Müttern betreut werden. Trotzdem habe ich noch nie eine auf einen Baum klettern sehen. Ich wage also zu behaupten, dass es für das Wohl der Kinder sehr wichtig ist, dass sich Väter mehr Zeit für ihren Nachwuchs nehmen. Gerade für Buben ist der Vater eine wichtige Identitätsfigur. In von weiblichem Personal dominierten Krippen und Schulen fehlen den Buben männliche Vorbilder, die ihnen zum Beispiel beibringen, wie sie ihrer Kraft und Aggressivität sinn- und respektvoll einsetzen können, ohne immer der Macker sein zu müssen. Einfühlungsvermögen und emotionale Kompetenz können und sollen auch von Männern vermittelt werden .

Von einer egalitären, paritätischen Verteilung der Erwerbs- und Familienarbeit sind wir in der Schweiz aber noch weit entfernt. Nach wie vor ist die Betreuungszeit zwischen den Geschlechtern sehr ungleich verteilt: Bei Ehepaaren mit einem Kind leistet die Frau durch¬schnittlich 17,6 Stunden pro Woche Kinder¬betreuung, der Mann 12,1 Stunden. Mit jedem weiteren Kind steigt der Umfang der Familienarbeit bei den Frauen um 5 bis 6 Stunden pro Woche, beim Mann bleibt er stabil. Auch haben Kinder keinen Einfluss auf die Erwerbstätigkeit von Männern. Gegen 100 Prozent der Väter sind erwerbstätig, dies im Gegensatz  zu den Frauen. Verschärfend kommt noch hinzu, dass, wer 100% angestellt ist, meist 120% arbeitet. So werden in der Schweiz jährlich 170 Millionen Überstunden geleistet (Quelle seco). Dies entspricht 90'000 Vollzeitstellen oder 180'000 Teilzeitstellen zu 50%. Dabei ist es laut Arbeitsgesetz Art.36, Abs. 2 Arbeitgebern nicht erlaubt Arbeitnehmer mit Familienpflichten zu Überzeit zu verpflichten. Hier bewegen wir uns natürlich in einem Graubereich, denn selbst wenn der Arbeitgeber die Überzeit nicht direkt anordnet, wird sie tatsächlich auch nicht wirklich freiwillig geleistet. Der Druck am Arbeitsplatz ist aber oft so hoch, dass kaum ein Arbeitnehmer auf seiner vertraglich festgelegten Arbeitszeit beharrt.
Wie viel wäre schon gewonnen, wenn Väter die 62 Stunden Überzeit, welche sie durchschnittlich im Jahr leisten, mit ihren Kindern verbringen könnten! Also: „Väter, nehmt euch Zeit, um mit euren Kindern auf Bäume zu klettern“.

<< Zurück zur vorherigen Seite