Newsletter & Kolumnen von Avanti Papi


Kolumne "Fritz und Fränzi" April 2009

Albanisches Ferienabenteuer

Wurden Sie schon mal mit einem Fluch belegt? Ich schon, wenn ich die Blicke der Putzfrau in einem albanischen Hotel richtig interpretiere, mit welchen sie mich jeweils bedachte, wenn ich mit unserer vier Monate alten Tochter auf dem Arm auftauchte. Wurde Ihnen schon mal um Mitternacht im Liegestuhl am Strand ein gebratener Fisch serviert – als Gastgeschenk? Mir schon, vom Besitzer des gleichen Hotels am Ohridsee in Albanien, wo wir unsere Sommerferien verbrachten. Eine etwas exotische Destination für Familienferien, wie ich zugeben muss.
Die Schulkollegen meiner Kinder stammen aus den verschiedensten Ländern dieser Erde, und sie wachsen zusammen in einer multikulturellen Umgebung auf. Doch oft sind die kulturellen Schranken höher als die sprachlichen. Im Gegensatz zu den Eltern fällt es Kindern zwar leichter, Kontakt herzustellen, doch gibt es auch unter ihnen viele Vorurteile, die meist auf Unwissen oder Unverständnis gründen. So entstand vor einigen Jahren die Idee, in den Ferien jeweils ein Land, aus welchem die Schulkollegen kommen, zu besuchen. Die Wahl fiel letzten Sommer auf Albanien. Unser Hotelbesitzer hatte sieben Jahre als Sanspapier in London gelebt, so konnte er uns in fliessendem Englisch Land und Leute näher bringen. Er war auch der Einzige, der sich nicht darüber wunderte, dass ich unser Baby im Babybjörn herumtrug.
Ich kann mich noch erinnern, wie ich vor acht Jahren auch in der Schweiz die Blicke auf mich zog, wenn ich mit dem Baby im Tuch durch die Strassen lief. In Albanien jedoch waren die Blicke weniger wohlwollend, sondern vielmehr kritisch bis abwertend. Davon einmal abgesehen ist Albanien als Ferienland durchaus zu empfehlen: Wenig Verkehr, einsame Strände und sehr gastfreundliche Menschen. Man sollte sich allerdings nur mit dem eigenen Auto fortbewegen und – falls man keinen 4x4-Antrieb hat – auch nur auf den Hauptstrassen. Obwohl die Moderne auch hier mit Handy und Internet Einzug gehalten hat, herrscht bezüglich Rollenteilung zwischen Mann und Frau noch eine Mentalität, wie wir sie in der Schweiz vor rund 50 Jahren kannten. Aber auch eine Gastfreundschaft, wie sie in der Schweiz verloren gegangen scheint. So machten wir unterwegs einen Abstecher in einen Nationalpark, was sich nach zwanzig Minuten der schlechten Strassen wegen allerdings als Schotterpistenabenteuer herausstellte. Die dortigen Förster (die einzigen Anwesenden nebst uns) konnten uns mit Händen und Füssen verständlich machen, dass wir besser nicht weiterfahren sollten, da die «Strasse» nur noch schlechter würde. Sie erkannten zudem ganz richtig, dass wir zur Mittagszeit ohne Proviant unterwegs waren, und bedeuteten uns, vor der Rückfahrt noch kurz zu warten, damit sie uns etwas zu essen mit auf den Weg geben könnten. Nach ein paar Minuten brachten sie uns eine volle Tüte, mit der wir gleich zwei Familien hätten ernähren können. Unsere Buben schwärmen noch heute von der Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft, die sie in der Schweiz in dieser Art noch nicht erlebt haben.
So hat die Reise nebst viel Erholung auch dazu beigetragen, unsere albanischen (und kosovarischen) Mitbürger etwas besser zu verstehen. Heute sehe ich albanische Väter, die ihre Kinder in die Schule begleiten oder an einen Elternabend kommen, mit anderen Augen und denke, dass es auch in der Schweiz noch nicht lange her ist, dass sich Väter für ihre Kinder engagieren.
Zurück aus Albanien wurde ich übrigens im Volg in Wassen, kurz nach dem Gotthard, von einem alten Mann mit Hut und Bart angesprochen. Der meinte, dass unser Nachwuchs im Babybjörn doch wohl am falschen Ort sei. Auf meine Antwort, dass es dem Kleinen doch gut gehe, meinte er nur konsterniert: «Aber es gehört doch zur Mutter.»

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